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Griechisch-Deutscher Gesprächskreis
Ελληνο-Γερμανικός Κύκλος Διαλόγου
Duessldorf

Strategien zum Wiederaufbau Südosteuropas
Eine Tagung des Griechisch-Deutschen Gesprächskreises

Am 21. Juni 1999 beendete die NATO offiziell die Luftangriffe auf Jugoslawien, nachdem die jugoslawischen Streitkräfte begonnen hatten, sich aus dem Kosovo zurückzuziehen. Der Zeitpunkt hätte nicht besser gewählt sein können, um über den „Wiederaufbau Südosteuropas nach Beendigung der Jugoslawien-Krise" zu diskutieren so das Thema einer Informationstagung, zu der der Griechisch-Deutsche Gesprächskreis an diesem Tag ins Haus des Deutschen Industrie- und Handelstages nach Bonn eingeladen hatte.
Rund 90 Teilnehmer waren gekommen, darunter Vertreter aus Albanien, Bulgarien, Griechenland, Kroatien, der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, Jugoslawien, Ungarn, Rumänien und Russland, Vertreter von Bundesministerien, der Bundeswehr, deutscher Parteien, Mitglieder des Deutschen Bundestages, sowie Vertreter aus den Bereichen Wissenschaft, Wirtschaft, Medien, der Wohlfahrtsverbände und von Menschenrechtsorganisationen. Wie schon bei vergangenen Veranstaltungen des Gesprächskreises, war auch dieses Mal eine Delegation des griechischen Parlaments der Einladung nach Bonn gefolgt, begleitet vom Vorsitzenden des Parlamentsausschusses für die Auslandsgriechen, Professor Dimitrios Pantermalis, und dem Direktor des Amtes für Internationale Öffentlichkeitsarbeit des griechischen Parlaments, Nikolaos Makriyannis.
Der Koordinator der Veranstaltung, Georg Albrecht, wies in seiner Einführungsrede darauf hin, daß der Griechisch-Deutsche Gesprächskreis bei Beginn der Planungen für die Tagung im April davon ausgegangen war, daß bis zum heutigen Tag sowohl die massive Verfolgung und Vertreibung der Kosovo-Albaner als auch die kriegerischen Auseinandersetzungen in Jugoslawien beendet sein werden und daß die neuesten Entwicklungen diese Vermutung nicht getäuscht hätten. Er betonte, daß es nunmehr gelte, mit der wirtschaftlichen Hilfe für Jugoslawien von außen auch die eigene Verantwortung und die Anstrengungen derjenigen Menschen vor Ort zu stärken, die sich für einen Demokratisierungsprozess in ihrem Land einsetzen. Dabei verwies er auf das vor kurzem in Deutschland von jungen Serben gegründete „Demokratie-Forum für Serbien e.V. (DFS)" und auf die „Vereinte Initiative Neuaufbau e.V. (VINA)", die sich für die Demokratisierung und den Wiederaufbau ihrer Heimat einsetzen. Daß es bis zur Verwirklichung der Demokratie in Jugoslawien noch ein weiter Weg sei, zeige auch die Tatsache, daß den zwei aus Belgrad erwarteten Referenten die zunächst erteilte Ausreisegenehmigung kurzfristig von den dortigen Behörden verweigert wurde.
Albrecht bedauerte, daß es den im Kosovo eingerückten NATO-Truppen nur mit großen Schwierigkeiten gelinge, die dort befindlichen paramilitärischen UCK Verbände zu entwaffnen. Auch seien die NATO-Truppen noch nicht in der Lage, die dort lebenden Serben vor Racheakten militanter Albaner zu schützen und damit einen Exodus der Kosovo-Serben zu verhindern. Aus diesem Grund, so Albrecht, sollten die NATO-Staaten und Russland gemischte Verbände im Kosovo aufstellen, damit alle Bevölkerungsteile im Kosovo der internationalen Militärpräsenz Vertrauen schenken und auch die Kosovo-Serben in ihrer angestammten Heimat bleiben könnten. Nicht zuletzt machte er auf die kaum bekannte Tatsache aufmerksam, daß Griechenland im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt den größten Anteil an humanitärer Hilfe in der betroffenen Region geleistet habe, noch vor der Bundesrepublik Deutschland. Auch äußerte er die Hoffnung, daß die stabilisierende Rolle des EU-Mitgliedes Griechenland in Südosteuropa von der Staatengemeinschaft gebührend geschätzt und helfend begleitet werde.

Graf von Walderdorf vom Deutschen Industrie- und Handelstag betonte in seinem Grußwort, daß der Zeitpunkt für diese außerordentlich wichtige Veranstaltung hätte nicht trefflicher gewählt werden können. Unter anderem unterstrich er das Interesse der deutschen Wirtschaft am Wiederaufbau Jugoslawiens sowie der Region insgesamt nach einer Demokratisierung und Stabilisierung der politischen Situation.

Im ersten Teil der Veranstaltung wurde der Versuch einer Bestandsaufnahme der Kriegsfolgen gemacht. Es moderierte Frau Gudrun Dometeit, vom Focus Magazin, München. Im Einführungsvortrag von Professor Spiridon Paraskewopoulos von der Universität Leipzig erläuterte dieser die Schwierigkeiten zum gegenwärtigen Zeitpunkt, eine genaue Kostenschätzung der immens hohen volkswirtschaftlichen Schäden, die in Südosteuropa durch die Jugoslawien-Krise entstanden sind, zu erstellen. Er verwies dabei unter anderem auf einen Bericht der Newsweek vom 14.06.99, dem zufolge sich die Schäden auf 30 Mrd. Dollar (EU-Schätzung) bzw. 50 - 150 Mrd. Dollar (Belgrader Schätzung) belaufen. Paraskewopoulos differenzierte die Kosten in die Gruppen:
a) Vernichtung von Infrastruktur 
b) Vernichtung von Produktionsstätten und Häusern 
c) Zerstörung bzw. Schäden der Umweltgüter 
d) Fertigprodukte 
e) unterbliebene Geschäfte (z. B. Touristen) in der Region 
f) Flüchtlinge 
g) Friedenstruppen 
h) Kosten der Luftangriffe. 
Er plädierte für die Aufstellung einer Art Marshallplan für Südosteuropa, der eine Initialzündung für einen ähnlichen Prozess sein könnte, der nach 1945 zum deutschen Wiederaufbau und Wirtschaftswunder geführt habe. Für die entstandene Situation tragen schließlich Europa und die USA Mitverantwortung, weil sie es versäumt haben, Anfang der neunziger Jahre im Transformationsprozess politisch und ökonomisch einzugreifen. Jugoslawien war damals ein föderatives Gebilde mit verschiedenen Ethnien und eine vollendete Wirtschafts- und Währungsunion. Entgegen der notwendigen, weiteren Liberalisierung wurden aber wiederholt der Willkürlichkeit der dortigen Diktatur, zum Schaden der gesamten Bevölkerung, nachgegeben. Jetzt müssten den Worten endlich Taten folgen.

Über die Zerstörung der Infrastruktur Serbiens berichtete Dipl.-Ing. Mark Popovic, der die Vorträge der aus Belgrad geladenen Referenten Dipl.-Oec. Dr. Miodrag Vujosevic und Dipl. Oec. Aleksandar Kovacevic verlas, die aufgrund einer Ausreiseverweigerung der Belgrader Behörden nicht an der Veranstaltung teilnehmen konnten. Als vorrangiges Ziel bezeichneten die beiden Belgrader Wissenschaftler die Instandsetzung der Energie- und Trinkwasserversorgung, um eine humanitäre Katastrophe zu verhindern.

Dr. Miodrag Vujosevic legte in seinem Statement eine erste „anekdotische" Schadensaufnahme vor: Beträchtliche Zerstörung und oder Beschädigung mehrerer hundert Wirtschaftsunternehmen sowie mehrerer Dutzend Einrichtungen/Knotenpunkte im Transport- und Kommunikationswesen (Wassernetz- und Straßenverbindungen sowie Einrichtungen der Telekommunikation); starke Beschädigung öffentlicher und versorgungswirtschaftlicher Einrichtungen in mehr als fünfzig Städten und in vielen Dörfern; Beschädigung bis hin zur völligen Zerstörung von über 400 Schulen und Krankenhäusern; Bombardierung von fünf der neun Nationalparks; das wichtige Tourismusgebiet um Kopaonik wird aufgrund von Splitterbomben über Jahre nicht begehbar sein. In seinen Schlussfolgerungen stellte der Referent die Notwendigkeit einer ökologischen -ökonomischen Neuentwicklung in der Region in den Mittelpunkt. Dabei gehe es um die Erstellung eines Konzepts des selektiven wirtschaftlichen Neuaufbaus, das einerseits der notwendigen „schnellen" wirtschaftlichen Erneuerung Rechnung trage, andererseits aber stärker auf langfristige ökologische Entwicklung setze. Dabei sei die Region auf internationale Hilfe angewiesen.

Dipl.Oec. Aleksandar Kovacevic stellte in den Mittelpunkt seiner Ausführungen, daß die Entwicklung in Serbien und Montenegro mehr eine wirtschaftliche Herausforderung als eine Sache der Wiederaufbau-Finanzierung sei. Jede Art der Entwicklung solle nach außen orientiert sein (Exportorientierung und Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit). Äußerst wichtig sei die infrastrukturelle Entwicklung im Transportwesen und Energiebereich sowie eine parallel verlaufende Kommerzialisierung des Wirtschaftslebens, bei der neben der Bevölkerung und der jugoslawischen Rentenfonds internationale kommerzielle und unabhängige Geldgeber sowie internationale Finanzinstitutionen eine herausragende Rolle spielen.

Einen Überblick über die Umweltauswirkungen des Krieges gab Frau Ursula Schönberger von Bündnis 90/Die Grünen. Sie begann mit der Feststellung, daß wer die Verantwortung für seine Handlungen trage, auch die Verantwortung für die Folgen seiner Handlungen trage. Der Jugoslawien-Krieg sei in zweierlei Hinsicht ein Umweltkrieg:
a) Was den Einsatz von Waffen mit toxischer und Strahlenwirkung angehe, insbesondere hinsichtlich des Einsatzes von Urangeschossen, die ja schon im Irak-Krieg verheerende Auswirkungen gezeigt haben (vergleiche Berichte von amerikanischen Soldaten, die mit dem Material in Berührung gekommen waren). In diesem Zusammenhang kritisierte die Referentin das Schreiben des Auswärtigen Amtes, nach dem diesem keine Erkenntnisse über schädliche Auswirkungen von Urangeschossen vorliegen.
b) Was die Bombenziele angehe: Chemische und pharmazeutische Anlagen, Düngemittelfabriken und Raffinerien. Nach ersten Berichten seien in Pancevo (Bombardierung von Raffinerien) die Grenzwerte um das 7.000fache überschritten.
Was die Nothilfe angehe, machte die Referentin folgende Vorschläge:
- Die Bevölkerung braucht unbelastete Nahrungsmittel; wenn es sein muß, müssen diese aus dem Ausland importiert werden.
- Es muß untersucht werden, wie stark die Belastungen der Umwelt real sind. Mit den Untersuchungen müssen unabhängige Institute beauftragt werden.
- Möglicherweise - nach Belastungsgrad - müsse es zu Sperrungen von Regionen für die Landwirtschaft und zu Sperrungen von Wohnsiedlungen kommen.
Der Krieg in Jugoslawien bedeute eine neue Qualität von industriellen Kriegen: Nicht nur sei gegen das Völkerrecht, sondern gerade auch unter Umweltgesichtspunkten gegen die Genfer Konvention verstoßen worden.

Ministerialrat Kurt Lietzmann vom Bundesumweltministerium wies darauf hin, daß Kriege immer mit Umweltschäden verbunden seien. Zur Zeit gebe es bezüglich Jugoslawien große Schwierigkeiten bei der Beschaffung zuverlässiger Informationen. In der Sicherung der Trinkwasserquellen (Belastung der Oberflächengewässer und der Böden) liege die Hauptgefahr. Er beschrieb die geplanten Maßnahmen der Vereinten Nationen und der EU, die darauf abzielen, die entstandenen Umweltschäden erst zu lokalisieren, dann abzuschätzen und schließlich mit Förderungsprogrammen gezielt zu beheben.

Über die Kriegsfolgen für die Nachbarländer berichtete Frau Dr. Kica Kolbe von der Universität Skopje am Beispiel der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien. Die großen Flüchtlingsströme hätten zu einer Destabilisierung im sozialen Bereich geführt, Sozialhilfemaßnahmen hätten beschränkt werden müssen, da die Ressourcen begrenzt seien. Frau Kolbe forderte daher eine schnelle Rückkehr der Flüchtlinge. Die Europäische Union solle die Annäherung der Balkanländer an die EU vorantreiben. Dies sei wichtig für den Demokratisierungsprozeß, so Frau Kolbe.

Dr. Viadimir Gligorow vom Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche wies in seinem Vortrag auf die sehr hohe Arbeitslosigkeit in der ganzen Balkanregion hin. (Albanien und Kroatien: 20%‚ Jugoslawien: 30%‚ Mazedonien: 32%‚ Bosnien-Herzogowina: 40%). Nach seinen Schätzungen würden die Befriedigung der dringendsten Bedürfnisse in den nächsten drei Jahren für den Kosovo 2 - 3Mrd. Dollar, für Jugoslawien inkl. Kosovo 10Mrd. Dollar benötigt. Für die Ankurbelung der Wirtschaft, die makroökonomische Stabilisierung und einen „Marshallplan für Südosteuropa" würden folgende Summen benötigt:
makroökonomische Hilfen: 2 Mrd. Dollar für das Jahr 1999
Stabilitätsprogramm: 1-2 Mrd. Dollar pro Jahr
Wachstumsfinanzierung: 10 Mrd. Dollar jährlich für einen Zeitraum von 10 Jahren

Es sei allerdings eine Illusion zu glauben, daß die Balkan-Staaten schnell in die EU integriert würden. Auch er forderte einen „Marshallplan" für Südosteuropa, bezweifelte jedoch, daß die EU-Integration der Region kurzfristig möglich sei.

Die Wirtschaftsberaterin des griechischen Ministerpräsidenten, Frau DipL-Volksw. Despina Mavri, konstatierte ebenfalls weitreichende Auswirkungen der Jugoslawien-Krise auf die Nachbarregionen. Ihre Ausführungen bestanden hauptsächlich aus 2 Teilen:
1. Die positive Entwicklung der griechisch-balkanischen wirtschaftlichen Kooperation bis zum Beginn der Krise.
2. Der Folgen der Krise auf die wirtschaftlichen Beziehungen.
Vor dem Beginn der Krise konnte in den meisten Balkanstaaten eine aufkommende neue Ära der wirtschaftlichen Beziehungen festgestellt werden:
a) zwischen den Ländern der Region
b) zwischen den Balkan-Ländern und Griechenland.

Um die Folgen der Kosovo-Krise korrekt abzuschätzen, wird die Region in drei geographische Hauptgebiete unterteilt:
Eine erste Zone, die hauptsächlich aus Serbien, Montenegro, Albanien und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien besteht und insgesamt 6 % der griechischen Exporte ausmacht.
Eine zweite Zone, die alle (außer der Türkei) Balkan-Länder beinhaltet und insgesamt 13 % der griechischen Exporte ausmacht.
Eine dritte Zone, welche außer den Balkan-Ländern auch andere europäischen Länder beinhaltet. In jeder dieser Zonen sind die Auswirkungen der Balkan-Krise von verschiedenen Faktoren abhängig:
• Schwäche der heimischen Nachfrage (dieses gilt für die Balkan-Länder)
• Volumen der wirtschaftlichen Transaktion in jeder dieser Zonen
• die Fähigkeit, alternative Reisewege für die Exportgüter zu finden
• die Natur der zu exportierenden Güter (für sensible Güter sind die Konsequenzen schlimmer)
• die Subregion, in der die griechische Firma ihren Sitz hat.

Im Fall des Tourismus stellen sich die negativen Einflüsse wie folgt dar:
1. Weniger Touristen in Jugoslawien
2. Möglicher Verlust der Touristen mit hohem Einkommen
3. Angst vor Umweltverschmutzung
4. Sinkende Attraktivität der in der Nähe von Konfliktherden gelegenen traditionellen Regionen
Insgesamt muß jedoch darauf hingewiesen werden, daß eine letztendliche Abschätzung der Folgen noch aussteht, denn nun ist in dieser Region eine neue Realität entstanden. Die EU und die Balkan-Länder müssen eng zusammenarbeiten und dieses Gebiet immer im Hinterkopf behalten, damit dort Stabilität und wirtschaftlicher Wohlstand einkehren können.

Professor Dimitrios Pantermalis, Abgeordneter der Sozialistischen Partei Griechenlands (PASOK), bezeichnete die Luftangriffe als ein Unrecht, weil unschuldige Menschen unter ihnen zu leiden hätten und das Land dadurch um Jahrzehnte in der Entwicklung zurückgeworfen werde. Der Abgeordnete der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE), Stavros Panagiotou, verurteilte die Luftangriffe als eine Aggression gegen einen souveränen Staat. Alle Mitglieder der griechischen Parlamentsdelegation — sowohl die Mitglieder der Regierungspartei als auch die der Oppositionsparteien wie beispielsweise Frau Professor Maria Konstantopoulou von der Nea Demokratia — betonten ausdrücklich die Bereitschaft Griechenlands, die Serben und Kosovo-Albaner nunmehr beim wirtschaftlichen Aufbau und der Demokratisierung zu unterstützen.
Im zweiten Teil ging es um konkrete Aufbaupläne und Hilfeleistungen für die Region. Es moderierte Herr Ralf Neukirch, vom Handelsblatt, Wirtschaftsredaktion, Bonn. Der Vertreter der EU-Kommission aus Brüssel, Dr. Kyriakos Revelas, stellte die verschiedenen internationalen Bemühungen zur Stabilisierung und Wiederaufbau Südosteuropas (SOE) vor. Der von der deutschen Ratspräsidentschaft lancierte Stabilitätspakt für SOE verfolgt einen Ansatz, der die Ursachen anstatt der Folgen der Konflikte behandeln und zugleich alle Länder der Region einschließen soll. Frieden und Wohlstand sollen durch eine Stärkung von Demokratie und Rechtsstaat, durch die Achtung der Menschen- und Minderheitenrechte, durch marktwirtschaftliche Reformen und durch verstärkte Zusammenarbeit mit den Nachbarländern erreicht werden. Dies sind auch die Bedingungen für den Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess, der den fünf Ländern Bosnien und Herzegowina, Kroatien, der Bundesrepublik Jugoslawien, der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien und Albanien die Perspektive einer Heranführung an die EU eröffnen soll. Dieser Prozeß wird eine neue Form von vertraglichen Beziehungen mit der EU (die sogenannte Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen) sowie verstärkte Zusammenarbeit auf verschiedenen Gebieten anbieten. Ungeachtet der verstärkten Mobilisierung von finanziellen Mitteln seitens der internationalen Gemeinschaft (wozu z. B. EU Hilfeleistungen für die fünf Länder der Region von insgesamt 7,5 Milliarden Euro in dem Zeitraum 1991 - 1999, die Gründung einer "Europäischen Agentur für den Wiederaufbau" sowie ein Koordinierungsmechanismus zwischen EU Kommission und Weltbank gehören), wird der Erfolg dieser Bemühungen letztendlich von der Verantwortung und der Entschlossenheit der betroffenen Völker und Regierungen abhängen.

Über Absicherungsmöglichkeiten bzw. über die Kriterien für die Vergabe von Hermes-Bürgschaften für Unternehmen, die in die Region exportieren bzw. dort investieren wollen, informierte Ministerialrat Dr. Michael Kruse vom Bonner Wirtschaftsministerium. Diese Bürgschaften werden für Rumänien, Bulgarien, Mazedonien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina, nicht aber für Serbien, Kosovo oder Montenegro vergeben. Entwicklungshilfe wird primär für das Kosovo vorgesehen. Voraussetzung für Hermes-Bürgschaften sei, daß Jugoslawien die internationalen Spielregeln einhalte und die Regelung der Altschulden, die schon vor 1991 entstanden seien, im Pariser Club zustimme. Die Hermes-Bürgschaften würden im übrigen nach ökonomischen Kriterien vergeben. Interessierte Bauunternehmen können sich im Bundesministerium für Wirtschaft bzw. bei der Hermes Kreditversicherungs AG beraten lassen.

Frau Dipl.-Oec. Sonja Bauer vom Kooperationsbüro der Deutschen Wirtschaft in Berlin, die noch vor einer Woche in Jugoslawien war, vermittelte einen plastischen Eindruck von den Schäden in Jugoslawien. Sie berichtete über die Verseuchung der ganzen Region um Pancevo, wo die Erdölraffinerien bombardiert worden waren, den Wegfall der Folgeprodukte durch die Bombardierung des Ammoniakwerkes und den Zustand der Donau ("ein stehendes ölverschmiertes, schwarzes Wasser, in dem tote Fische an der Oberfläche liegen"). Durch die NATO-Luftangriffe seien der innere Handel/Markt der südosteuropäischen Region (Jugoslawien war ein wichtiger Absatzmarkt und Handelspartner für Mazedonien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien und Rumänien) zusammengebrochen; der Handel der südosteuropäischen Staaten mit Westeuropa sei durch die Zerstörung der Verkehrswege in Jugoslawien (als Transitland) langfristig beeinträchtigt. Für Jugoslawien sei humanitäre Hilfe dringend erforderlich. Diese humanitäre Hilfe müsse über Lebensmittel- und Medikamentenlieferungen hinausgehen und die Wiederherstellung der elementaren Energie- und Wasserversorgung für die serbische Bevölkerung einschließen. Durch den Krieg seien mehrere hunderttausend Arbeitsplätze in Jugoslawien verloren gegangen; die Menschen seien ohne Perspektive. Wenn Jugoslawien durch die Verweigerung von Wiederaufbauhilfen weiter in die Isolation getrieben werde, werde das nicht den demokratischen, sondern den radikalen Kräften Auftrieb geben. Die deutschen Unternehmen hätten großes Interesse an einer Beteiligung an dem Wiederaufbau signalisiert. Dabei verwies die Referentin auf die Risikoscheu des deutschen Kapitals und die Investitionsbedingungen in Jugoslawien, die insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen verbesserungsbedürftig seien. Sie forderte die schrittweise Aufhebung der Sanktionen, um der Wirtschaft Handlungsspielraum zu verschaffen.

Die humanitäre Arbeit vor Ort beschrieb der Sozialwissenschaftler Nikolaus Immer vom Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche im Rheinland, der die enorme Spendenbereitschaft der deutschen Bevölkerung lobte und erläuterte, welche stabilisierende Wirkung die Hilfsprojekte haben. Dabei werde besonderer Wert darauf gelegt, Hilfsgüter immer in der Region einzukaufen und einheimisches Personal zu beschäftigen. Wichtig sei die Hilfe zur Selbsthilfe sowohl bei der Wiederinstandsetzung von Wohnhäusern und staatlichen Gebäuden als auch bei der Krankenversorgung und beim Aufbau der Einrichtungen für Strom, Wasser und Kanalisation. Alle Projekte würden mit örtlichen Partnern durchgeführt, wie etwa den Orthodoxen Kirchen. Durch die Einbeziehung aller betroffenen Bevölkerungsteile bei den Hilfsmaßnahmen, habe man Vertrauen aufbauen können. Besonderen Wert lege die Diakonie auf die Förderung von Projekten der Versöhnung zwischen Albanern und Serben. Aus der jetzigen Situation der Befriedung könne Frieden nur durch die Überwindung des Hasses entstehen.

DipL-Volksw. Stamatis Milingos vom Athener Wirtschaftsministerium warf die Frage auf, ob Griechenland nicht quasi prädestiniert sei, um die Rolle eines ehrlichen Vermittlers in der Balkanregion zu übernehmen. Er forderte eine rasche Privatisierung, eine Aktivierung des Bankensektors und eine stärkere marktwirtschaftliche Öffnung in der Balkan-Region. Die Balkan-Region habe 10 Jahre nach der Beendigung des Kommunismus eine zweite Chance verdient. Er stellte einen bilateralen Entwicklungsplan der griechischen Regierung zum Wiederaufbau Südosteuropas - den OECD-Kriterien entsprechend - vor, der die Verbesserung und Erneuerung der Infrastruktur, griechische Direktinvestitionen, die Ausweitung der schon bestehenden Beziehungen und die Wiederherstellung, Ausweitung und Steigerung des Außenhandels vorsieht. Das auf fünf Jahre angelegte Projekt setze als wichtige Maßnahme die Mobilisierung griechischer Privatunternehmen voraus. Der bald fertiggestellte Entwurf stieß auf großes Interesse.

Im Dritten Teil der Tagung moderierte Herr Reiner Bauer, vom INES, Dortmund. Professor Heinz-Jürgen Axt von der Universität Duisburg erläuterte schließlich die Entstehung des Stabilitätspaktes für Südosteuropa und zeichnete die einzelnen Phasen bis hin zur Eröffnungskonferenz vom 10. Juni 1999 in Köln nach. Er beschrieb die organisatorischen Vorkehrungen und analysierte die Schwächen und Stärken des Stabilitätspaktansatzes. Er betonte die wichtige Rolle Griechenlands für den Friedensprozess der Region. Wenn es gelänge, die demokratische und zivilgesellschaftliche, aber auch die wirtschaftliche Entwicklung und die Verbesserung der Lebensbedingungen auf dem Balkan voranzubringen, dann könne der Stabilitätspakt auch friedenssichernd wirken nach dem Postulat: Demokratien führen untereinander keinen Krieg. Der Stabilitätspakt werde daran gemessen, ob sich alle Beteiligten langfristig auf dieses Ziel hin verpflichten und die dafür notwendigen Mittel aufbringen.
Die Ergebnisse der Tagung wurden von Professor Nikolaus Wenturis von der Universität Tübingen zusammengefasst. Bei dem Versuch, die Tagungsreferate zusammenzufassen, möchte ich zunächst mit den wirtschaftspolitischen Beiträgen beginnen und vor allem den Hinweis der anwesenden Ökonomen auf die Notwendigkeit eines Marshallplanes zur politischen und sozialen Stabilisierung Südosteuropas hervorheben; dabei wurde aus deren Sicht die Gewährung einer umfassenden Hilfe für die gesamte Balkanregion (einschließlich Jugoslawiens), die sowohl günstige Kredite als auch Direktinvestitionen und technologisches "know how" impliziert, als unabdingbar und zugleich als ökonomisch "vernünftig" bezeichnet, da diese Investition langfristig kostengünstiger als die Finanzierung einer neuen NATO-Intervention auf dem Balkan sei, Als beachtenswert möchte ich überdies auch die politikwissenschaftlichen Vorträge charakterisieren, weil sie eindeutig auf die sukzessive Einbindung der südosteuropäischen Staaten in die NATO und sodann auch in die Europäische Union insistierten; dabei wurde diese Position mit dem Argument begründet, daß die inzwischen als dringend erforderlich angesehene Stabilisierung des Balkans nicht nur rein ökonomische, sondern auch politische Entscheidungen und Maßnahmen erfordert, die den Zustand des nationalen "Autismus" mancher Balkanstaaten, der als Quelle und Ursache für jede Form von Nationalismus dient, aufheben. Als besonders erwähnenswert möchte ich auch jene Beiträge bezeichnen, die eine detaillierte Darstellung des humanitären Einsatzes nichtstaatlicher Organisationen lieferten, weil sie die eindimensionale und bisweilen auch tendenziöse Berichterstattung der Print- und Massenmedien dahingehend korrigierten, als sie den Tagungsteilnehmern einen umfassenden Blick sowohl über die Herkunft als auch über die Anzahl, über den Tätigkeitsbereich und über die Formen und Effizienz der Zusammenarbeit dieser internationalen humanitären Hilfsorganisationen mit serbischen und albanischen intermediären Gruppen geben konnten.
Nach dieser kurzen inhaltlichen Zusammenfassung der Referate möchte ich in einem zweiten Schritt die häufigsten Thesen resümieren, die während der Diskussion vertreten wurden; dabei haben sich zwei Strömungen gebildet, die die ganze Debatte beherrschten: Erstens die Gruppe der "Gesinnungsethiker", die entweder eine pro- oder eine anti-NATO Position vertraten und zweitens jene der "Verantwortungsethiker", die ihr Augenmerk auf die Frage fokussierten, inwieweit die Tötung von Zivilisten durch NATO-Bomben ‚ um das Massaker und die Vertreibung der albanischen Population in Kosovo zu verhindern, ethisch vertretbar sei. In der Debatte beurteilten die Gesinnungsethiker die Richtigkeit des NATO-Bombardements bzw. des militärischen Vorgehens des jugoslawischen Staates zur Bekämpfung des "UCK-Terrors" (das sie auch als analog zu jenem des türkischen Staates zur Bekämpfung der PKK betrachteten) in erster Linie aufgrund von Überzeugungen und nicht im Hinblick auf die zu erwartenden Folgen und unterstrichen deshalb mit bewundernswerter akrobatischer Rhetorik die moralische Verpflichtung und den sittlichen Imperativ, die den Einsatz der angewandten Mittel zur Durchsetzung "ihrer" Ziele legitimierten. Die Verantwortungsethiker hingegen bewerteten die Richtigkeit des Handelns der jugoslawischen Führung sowie der NATO vornehmlich nach den vorhersehbaren Folgen und nicht nach den ihm zugrundliegenden Motiven bzw. Ziel; deshalb kritisierten sie nicht nur die fehlende Autonomieverfassung und die Vertreibung der Kosovo-Albaner, sondern auch die Weigerung des Westens, Bodentruppen einzusetzen, die den Pogrom in Kosovo hätten verhindern können; denn die Verantwortungsethiker sahen darin jenes Mittel, das nicht nur die größtmögliche Effektivität bei der Zielverfolgung hätte, sondern zugleich geringere Opfer unter der Zivilbevölkerung Jugoslawiens (wohl aber Verluste bei den NATO-Streitkräften) verursachen würde.
Der Koordinator der Tagung Georg Albrecht dankte schließlich den Anwesenden für ihre aktive Teilnahme. Er sprach die Zuversicht aus, daß die Analysen, Vorschläge, Pläne und Anregungen, die auf der Tagung vorgetragen wurden, für alle, die sich an dem Wiederaufbau und für die Stabilisierung Südosteuropas interessiert zeigen und mitwirken wollen, nützlich sein werden.
Der Griechisch-Deutsche Gesprächskreis wurde 1993 in Düsseldorf als partei- und regierungsunabhängiger Zusammenschluss politisch interessierter griechischer, deutscher und anderer europäischer Akademiker gegründet. Er führt Veranstaltungen durch mit dem Ziel, den Dialog zwischen deutschen, griechischen und anderen europäischen Partnern über aktuelle politische und gesellschaftliche Fragen zu fördern. 

Geschäftsstelle:Georg Albrecht
Graf-Recke-Strasse 213
D-40237 Düsseldorf
Telefon: +49 (0211) 685798

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